Sonne 4, erschienen am 13. Oktober 2011, ist das neuste Album des Berner Gitarristen Philipp Zürcher. Seine Musik bewegt sich in Grenzbereichen zwischen Rock, Jazz, elektroakustischer und moderner klassischer Musik. Auf der neuen CD sind eher rockige Solo-E-Gitarrenstücke zu hören, die durch den Hall der Stadtkirche Solothurn beinahe einen sakralen Charakter erhalten.
Sonne 4 erhielt im Guitar Player Magazin (USA) positive Kritik:
These eight solo electric guitar performances (some including live-looping) crisscross contemporary classical, modal jazz, and progressive rock spheres with intelligence, verve, and adventurousness. The Swiss guitarist’s crisply distorted and subtly processed tones perfectly match the sophisticated and highly engaging compositions, several of which are based on Olivier Messiaen’s symmetric modes. A book of transcriptions is also available. (Barry Cleveland)
Ausserdem wurde die Arbeit in einem ganzseitigen Artikel gewürdigt.
Interview zur CD Release
Was hat es mit dem Titel der CD auf sich? – Warum Sonne 4?
Sonne 4 ist eigentlich eine Gitarrenkomposition, welche ich vor etwa zwölf Jahren geschrieben habe und die nun auf der CD zu hören ist. Auf dem Album heisst der Untertitel dieses Stücks an interstellar love song. Ein Liebeslied also, das nicht an irdische Gegebenheiten gebunden ist.
Dass ich aber Sonne 4 als CD-Titel gewählt habe, liegt wohl daran, dass diese Kombination von Wort und Zahl für mich eine ganz eigene Bedeutung mit neuer Aussagekraft erhalten hat. Die Sonne als archaisches Symbol für Wärme, Wahrheit, Zentrum usw. – und die Nummer 4, die das wieder relativiert. Es gibt nicht nur eine einzige Sonne. Ausserdem ist die Zahl vier an und für sich ein starkes Symbol. Die Japaner z.B. meiden die Vier, weil sie in ihrer Sprache gleich ausgesprochen wird wie der Tod. Bei uns jedoch denkt man an Vollständigkeit und Ganzheit; an die vier Jahreszeiten, an den Viervierteltakt in der Musik usw. – und nicht zuletzt ist die neue CD die Nr. 4 in meiner Diskografie.
Sonne 4 ist also dein viertes Album. Wie unterscheidet es sich von deinen früheren CDs?
Ich habe einfach wieder einmal Gitarrenstücke aufnehmen wollen. Teils solche, die schon lange in meiner Schublade lagen, teils neue Ideen. Weil ich parallel zu den Aufnahmen auch die Noten von all den Stücken angefertigt habe, musste ich mir – so präzise wie noch nie – überlegen: Wie willst du das jetzt eigentlich genau haben?
Besonders meine zwei letzten CDs waren ja sehr, sehr Loop-lastig. Ich hatte eigentlich weniger für Gitarre, sondern vielmehr für Loopgerät und Computer komponiert. Stark formale, elektroakustische Kompositionen, in denen die Gitarre vor allem improvisatorische Aufgaben zu erfüllen hatte. Deshalb kann kein Mensch – nicht einmal ich – das je wieder so spielen, wie es aufgenommen wurde.
Die neu erschienenen Stücke sind hingegen ganz klar reproduzierbar. Es gibt wie gesagt sogar Noten dazu. Man kann die Kompositionen also Ton für Ton nachspielen – vorausgesetzt man hat eine Gitarre zu Hause – und das sollte dann ziemlich genau so klingen wie bei mir auf der CD.
Im CD-Booklet ist zu lesen: Reamping, Stadtkirche Solothurn. – Was bedeutet das?
Reamping, zu Deutsch vielleicht Wiederverstärkung, ist eine relativ alte Studio-Technik. Dabei wurde ein elektrisches Instrument nicht wie gewohnt über einen Verstärker gespielt und dann mit Mikrofon auf Tonband aufgenommen, sondern es wurde direkt ans Tonbandgerät angeschlossen und aufgenommen. So konnte man später das Tonband an einen oder verschiedene geeignete Verstärker anschliessen und in unterschiedlichen Räumen abspielen. Der gewünschte Klang konnte so genauer eingestellt und mit Mikrofonen festgehalten werden. Und beim Abmischen kann man dann natürlich die verschiedenen Verstärker- und Raumklänge kombinieren.
Ich habe das Reamping-Verfahren gewählt, weil ich auf diese Weise zuerst in aller Ruhe bei mir zu Hause eine perfekte Aufnahme jedes Stücks anfertigen konnte. Als ich damit zufrieden war, ging ich in die Stadtkirche Solothurn, deren phantastischen Raumklang ich dank der Zusammenarbeit mit dem dortigen Organisten Urs Aeberhard kennengelernt hatte.
Was man jetzt auf der CD hört, ist eigentlich eine Konstruktion: Jede Gitarrenstimme habe ich in meinem Home-Studio zweimal eingespielt, um sie dann in der Kirche wieder auszuspielen und mit verschiedenen Mikrofonen im Raum aufzunehmen. Zusammengemischt ergibt das dann ein Hörerlebnis, das man live gar nicht haben kann: Ein verdoppelter Philipp Zürcher gibt in einem unglaublich weiten Raum seine Solo-E-Gitarrenstücke zum besten.
Sag doch noch etwas zum Bild auf dem Cover. Wer hat das gemalt und was ist dargestellt?
In den Achtziger Jahren gab es einmal eine Ausgabe jener Kunstzeitschrift du, in der zuhinterst der Wiener Künstler Max Peintner vorgestellt wurde. Seine Bilder sind so flächig wie Malereien. Es sind aber eigentlich Zeichnungen, bei denen das Blatt ganz dicht mit Ölkreidestrichen und Schraffuren überdeckt ist. Diese Bilder haben mich bis heute nicht mehr losgelassen. Das Faszinierende an den Zeichnungen finde ich, dass der Künstler die Welt nicht so darstellt, wie wir sie uns alle als real vorstellen, sondern so, wie sie sich an den Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit offenbart. Zu sehen sind da Phänomene, die bei sehr starker oder ungewöhnlicher Lichteinwirkung auftreten.
Das Original des Bildes Irritation und Sehstörung durch seitlich einfallendes Licht (62.5 x 88 cm) ist übrigens verschollen. Der renommierte, aber sehr bescheidene Max Peintner, der mir schon zum zweiten Mal eines seiner Werke für eine CD-Hülle zur Verfügung stellt, hat es durch eine Galerie verkauft, deren Kundenkartei bei einem Brand vernichtet wurde. Vielleicht kann nun die Veröffentlichung meiner CD etwas zum Wiederauftauchen des Kunstwerks beitragen. Das wäre doch auch eine gute Sache, nicht?
Gespräch: Steven Götz. Bern, 13.10.2011
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ODER:
Auf den meisten gängigen Musik-Download- und Streaming-Plattformen finden unter dem Namen Philipp Zuercher.